Manche Menschen sind einfach nur dreist...

Wir bekamen einen Anruf aus Abbehausen - jemand hatte am frühen Abend eine völlig durchnässte Hündin am Klärwerk gefunden und mit nach Hause genommen, so hieß es am Telefon. Nun sei man allerdings etwas hilflos und wisse nicht, was tun.
Wir allerdings schon: Hinein ins Auto und hinfahren.
Das Wichtigste ist immer, sich zuerst mal selbst ein Bild zu machen - nachzusehen, ob ein Fundtier eine Kennzeichnung hat, also tätowiert oder gechipt ist. Wenn dem nämlich so ist und das Tier dann auch noch registriert wurde, ist das Problem meist gelöst und der Findling kann wieder nach Hause.

Tja, aber so einfach war das natürlich nicht.
Als Heidi in Abbehausen ankam, zeigte man ihr die noch junge Mischlingshündin; die war in die Küche gesperrt worden. Frau K. hatte das als Vorsichtsmaßnahme getan, wie sie sagte, sie hatte ein Kleinkind und wollte vermeiden, dass es womöglich gebissen wurde.
Gut, konnte man ja nachvollziehen, obwohl die Hündin einen freundlichen und nicht gestressten Eindruck machte.
 

Während Heidi sich das Tier anschaute und ein paar Notizen dazu machte, ließ die Frau des Hauses unvermittelt eine kleine, vielleicht 12 Wochen alte Katze mit in die Küche, die an der Tür gekratzt hatte.
Heidi äußerte ihr Erstaunen darüber und fragte, ob sie denn keine Angst hätte - schließlich weiß man ja nicht, wie ein fremder Hund auf Katzen reagiert.
"Da passiert nichts, das geht schon", bekam sie zur Antwort.
Das war doch einigermaßen verblüffend. Um den Sohn hatte die Finderin ja nach eigenem Bekunden Angst, so einen wehrlosen Winzling von Katze ließ sie aber ganz ohne Zögern zu einer völlig unbekannten und somit nicht berechenbaren Hündin...
Es gab kein Halsband, keine Kennzeichnung - wie meistens.
Die Mischlingshündin hörte auf 'Sitz' und war wirklich lieb.
Irgendwie hatte Heidi ein mulmiges Bauchgefühl, ihr schienen diese ganze Geschichte und die Umstände nicht koscher.
Sie fragte dann freundlich, aber trotzdem direkt, ob es vielleicht Probleme gäbe und diese "Fund"hündin womöglich die eigene wäre.
Oder dem Lebensgefährten gehöre, der eine Etage höher mit dem Sohn wartete... oder einer Freundin...
Nein, hieß es. Auf gar keinen Fall.
Also bat Heidi Frau K., in ihrem Beisein im Tierheim anzurufen und mit Herrn Kraft, dem dortigen Leiter, über die Hündin zu sprechen - denn für ein Fundtier im Stadtgebiet von Nordenham ist das Städtische Tierheim zuständig.
Das tat Frau K. dann auch und erzählte dieselbe Geschichte.
Somit war das Los der Hündin besiegelt - sie würde ins Tierheim kommen.
Heidi verabschiedete sich und ging. Mit noch immer demselben mulmigen Gefühl im Bauch...
Herr Kraft holte die Hündin ab.
 
Wir veröffentlichten eine "Fundmeldung" im Internet unter 'meinestadt.de'.
Und bekamen daraufhin eine E-Mail, deren Inhalt uns nicht sonderlich überraschte:  Jemand, der auch in Abbehausen wohnte, teilte uns darin mit, den Hund und seine Halter zu kennen. Wusste zwar deren Hausnummer nicht, aber dafür Vor- und Nachnamen.
Es waren Frau K. und ihr Lebensgefährte Herr C.
Also, Finder = Halter.
Heidis Bauchgefühl hatte sie nicht getrogen.
Die Hündin war nun also im Tierheim - sie war zu anstrengend geworden. Mit einem Kleinkind plus Hund fühlte man sich überfordert... Ja und das wusste man nicht vorher, dass man mit einem Kleinkind reichlich zu tun hat? Und holt sich dann trotzdem später noch zusätzlich einen jungen Hund voller Power ins Haus??
Vorsichtshalber enthalte ich mich hier jeden Kommentars...

Oder nee - kann ich ja doch nicht! So was macht mich einfach zu zornig... sauer... und traurig...
Zornig, weil hier ein Tier einfach abgeschoben wurde, das man sich schließlich selbst ins Haus geholt hat: Freiwillig, als erwachsener (?) Mensch doch wohl auch in dem Wissen, dass die Verantwortung für einen Hund nun mal lebenslang bedeutet - und da der kein Hamster ist, dauert das möglicherweise 15 Jahre oder länger. Und diese Hündin hat sich ihr Zuhause nicht ausgesucht... sie ist den Menschen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
In diesem Fall also Verderb.
Sauer, weil hier ehrenamtliche Helfer ausgenutzt werden sollten, die ihre Freizeit, ihr Herz und oft auch ihr Geld darauf verwenden, Tieren und Menschen in Notlagen zu helfen!
Ich halte sowas für charakterlos und unsauber.
Und traurig, weil diese Hündin wie ein seelenloses Stofftier behandelt wurde, ein Tier, das sicher mit ganzem Herzen an seinen Menschen hing - weil Hunde gar nicht anders können.

Solche Leute sollten keine Tiere halten dürfen.

 
Sie meinen, das wäre vielleicht doch etwas zu hart? Finde ich nicht, lesen Sie mal weiter:

Monate später bekamen wir einen Anruf aus der Nordenhamer Innenstadt, die Inhaber einer kleinen Kneipe meldeten sich bei uns. Im Haus gegenüber, sagten sie, hörten sie schon die ganze Nacht einen Hund bellen. Auch am vorangegangenen Tag habe er immer wieder endlos gebellt, möglicherweise sei er alleine oder es sei etwas passiert in der Wohnung...
Heidi machte sich also auf den Weg, hinfahren und selbst nachsehen ist immer das erste, was passiert.
Natürlich kann man als Privatperson nicht viel tun - aber die Polizei kann man anrufen, wenn man den Verdacht hat, da stimmt was nicht. Auf Wegen, die nur die Polizei selber kennt, haben die Beamten herausgefunden, wem die Wohnung gehörte, aus der das Bellen klang... und immerhin den Lebensgefährten oder-was-auch-immer der Mieterin aufgetrieben.
Heidi und die Beamten (alle noch immer vor Ort) gingen dann gemeinsam mit jenem in die Wohnung - und fanden Folgendes vor:
Eine kleine Katze, die durch die Zimmer huschte und einen ins Badezimmer gesperrten Hundewelpen, nicht älter als höchstens sechs Monate. Das Badezimmer war leer: Kein Futter, kein Wasser, keine Decke - nur der blanke Fliesenboden für einen alleingelassenen kleinen Hund...
Den die Polizei mitnahm und der ins Tierheim kam. Die kleine Katze ließen sie da - ob die irgendwo Futter, Wasser und ein Katzenkistchen hatte, wissen wir nicht.

Das Veterinäramt wurde eingeschaltet, der Tierheimleiter und wir waren zuversichtlich, die Halterin würde das Tier nicht zurückkriegen... von wegen!
Hat sie.
Und wissen Sie was?
Das war Frau K., dieselbe, die damals die lästig gewordene Hündin als angebliches Fundtier gemeldet hatte.

So, und jetzt enthalte ich mich wirklich jeden Kommentars... auch über das weichgespülte Veterinäramt hier bei uns.

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