Ein Schwan auf Abwegen


Der Tag fing ruhig an.
Ich saß ich am Frühstückstisch und dachte daran, was heut wohl wieder auf mich zukommen würde - vielleicht meldete jemand eine unbekannte Katze, die auf der Terrasse saß und unbedingt ins Haus wollte… einen jetzt vermissten Hund, der sich beim Spazierengehen wegen der lauten Fehlzündung eines vorbeifahrenden Autos erschreckt hatte und fortgerannt war… eine Schildkröte, die aus dem heimischen Garten ausgebüxt oder einen Wellensittich, der entflogen war - weil er, wie es häufig geschieht, auf seinem täglichen Freiflug durch die Wohnung das gekippte Wohnzimmerfenster entdeckt hatte.
Oder alles auf einmal…
Ein ganz normaler Tag also.
Statt dessen meldete sich eine Frau aus Nordenham, die ein nicht alltägliches Problem meldete: nämlich einen jungen Schwan, der bereits seit zwei Tagen in ihrem Garten saß und sich nicht von der Stelle rührte.
Zuerst hatte sie noch abgewartet, ob er vielleicht einfach erschöpft sei und sich nach einer Rast von allein wieder (sozusagen) auf die Socken machen würde… Aber das Tier machte keine Anstalten, saß nur da und rührte sich nicht.
Frau Z. hatte sich in ihrer Ratlosigkeit bereits um Hilfe bemüht: die Polizei informiert, den örtlichen Tierschutzverein, sie hatte versucht, einen Mitarbeiter des Tierheims zu erreichen, einen Tierarzt angerufen… leider hatte sie entweder niemanden erreicht oder sie bekam die Auskunft, dafür sei man nicht zuständig.
Kein Wunder, dass die Frau sich mittlerweile ziemlich allein gelassen fühlte.

Das war die Situation, die sie mir schilderte, als ich nach ihrem Anruf in ihren Garten kam.
Denn natürlich war ich zu ihr gefahren, sie mit ihrem Problem allein zu lassen, das hätte ich nicht übers Herz gebracht - und es wär mir auch ständig durch den Kopf gespukt.
Da saß nun also wie aus dem Boden gewachsen und festgenagelt seit zwei Tagen ein junger Schwan in einem Garten in Friedrich-August-Hütte - der nicht gefressen, nicht getrunken hatte - und niemand hatte sich bislang für zuständig erklärt oder schlicht und einfach geholfen.
Ich habe ja nun so gar keine Erfahrung im Umgang mit Schwänen. Das sind Tiere, mit denen wir normalerweise nichts zu tun haben.

 Ich sehe sie mir gerne an, freue mich, wenn sie mit ihrem Nachwuchs über die Seen in Nordenham schwimmen und staune immer über die Spannweite ihrer Flügel. Wer schon einmal den Start und die Landung eines Schwans beobachtet hat, der weiß, wie viel Platz sie dafür brauchen – und genau da schien das Problem zu liegen, wie ich feststellte, als ich den Garten betrat - viel Platz war da nicht.
Ob das Tier verletzt war, konnte ich nicht feststellen. Geschwächt war er, das war ihm deutlich anzusehen.
Ich rief die Wildtierauffangstation in Rastede an. Dort erklärte man sich sofort bereit, das Tier zu übernehmen – wenn sich jemand finden würde, der es dort hinbrächte…
Nur wie? Das Tier saß im Garten, nicht in einem Käfig.
Also rief ich einen Verein an, der sich, so dachte ich bis dahin, in unserer Region um derartige Notfälle kümmert und von dem ich mir Hilfe erwartete. Fehlanzeige.
Ich erhielt die Antwort, dass man dort auch nicht wisse, was zu tun sei. Über diese „Sache“ müsse man bei Gelegenheit mal in Ruhe reden… und die lange Fahrt nach Rastede würde ja auch viel Zeit in Anspruch nehmen und die hätte man im Moment definitiv nicht…
Ich war ziemlich sprachlos über diese Haltung, die weder mir, noch der Frau und schon gar nicht dem Schwan half, der noch immer reglos an derselben Stelle saß.
Was also tun?
Mir fiel der Seenpark ein, die Schwäne dort hatten Nachwuchs, das wusste ich von den Spaziergängen, die ich dort regelmäßig mit „Tony“, meinem Parson Russel Terrier machte.
Vielleicht gehörte er zu ihnen?
Aber selbst, wenn nicht - der Seenpark war schon mal eine gute Idee, nur: wie bekäme ich den Schwan dorthin? Meine üblichen Transportboxen, die ich ja für alle Fälle immer im Auto hatte, waren nicht Schwan-kompatibel und ich bezweifelte ernsthaft, ob wir zwei Frauen den geschwächten und sicher sehr verängstigten großen Vogel allein überhaupt ins Auto verfrachten könnten. Er war zwar noch jung, aber doch schon unhandlich groß und sicher würde seine Angst zusätzliche Kräfte mobilisieren.

Ich ging noch einmal alle Telefonnummern auf meinem Handy durch, in der Hoffnung, dass mir dabei die rettende Idee käme. Und sie kam – der Bauhof!
Ein kurzes Telefonat brachte die ersehnte Hilfe in Form zweier netter Mitarbeiter des städtischen Bauhofs. Die Frau organisierte einen großen Karton und zu viert bugsierten wir den widerspenstigen Schwan hinein, was gar nicht so einfach war.
Das Tier wusste ja leider nicht, dass wir ihm nur helfen wollten.
Auf der Ladefläche des Bauhoffahrzeuges ging es dann zum Seenpark, der ja nicht weit entfernt war. Dort ist ein Stück Strand, auf dem wir den Schwan vorsichtig in die Nähe des Wassers setzten.
Wir wollten sehen, was er tun würde und ob er überhaupt in der Lage war, sich aus eigener Kraft fortzubewegen.
Er war!
Die Fahrt nach Rastede blieb ihm und mir also erspart: er rutschte ins Wasser und trank und trank, trank, trank - scheinbar eine halbe Ewigkeit. Die seit Tagen fehlende Flüssigkeit war wohl Grund seiner Schwäche.
Schließlich schwamm er anderen Schwänen, Jungvögel wie er, entgegen, die wir weiter entfernt auf dem See ausgemacht hatten.
Wer weiß, vielleicht konnten wir ihn mit seiner Familie zusammenführen.
Es war ein sehr befriedigendes Gefühl, diesen Wildvogel, der aus eigener Kraft sicher nicht überlebt hätte und von dem wir nicht wussten, wie er in einem Garten in Friedrich-August-Hütte gelandet war, geholfen zu haben.
Vielleicht hatte er seine Flugkünste, seine Kraft überschätzt und war sozusagen notgelandet, als er einfach nicht mehr konnte. Hatte sich, ausgelaugt und von der Familie getrennt, möglicherweise aufgegeben. Ein Höckerschwan braucht unter normalen Wetterbedingungen mindestens 20 bis 30 m freien Anlauf auf Wasser oder Land und dann noch mal um die 30 bis 50 m, um auf Höhen über 4 m zu kommen, wie ich heute weiß.

      
Er hätte also von sich aus keine Chance gehabt, wieder in die Freiheit und ins Leben zu starten.
Aber wie auch immer, alles war gut gegangen.
Heute wie damals beschleicht mich kopfschüttelnde Ratlosigkeit darüber, dass Frau Z. und der Schwan mit ihrem akuten Problem alleingelassen worden waren.
So viele Telefonate mit der Bitte um Hilfe bei den unterschiedlichsten Stellen, so wenig Echo…
Das ist einfach nicht in Ordnung.

Noch jedes Mal, wenn wir mit unserem Hund durch den Seenpark gehen, denke ich beim Anblick der auf dem Wasser dahingleitenden Schwäne an diesen einen, besonderen, mit dem ich sozusagen enge Bekanntschaft gemacht habe.
Es ist schön zu sehen, wie sie den See mit ihrer Anwesenheit gleich ein wenig vornehmer aussehen lassen, den langen Hals anmutig biegen oder auf der Suche nach Futter ins Wasser stecken, als würden sie einen Kopfstand machen.
Eine weitere Generation Jungvögel wechselt das Gefieder von grau nach weiß… ob ‚mein‘ Schwan noch da ist? Vielleicht hat er auch schon eine Familie gegründet und zieht mit seinem Gefährten seine Kreise übers Wasser… 
 
 
 

Schwäne gehören zu den größten Vögeln, die in unseren Breiten leben. Der natürliche Lebensraum der Schwäne sind Sümpfe, flache Seen und langsam fließende Flüsse. Der Grund muss stets „gründelnd“ für die Suche nach Futterpflanzen erreichbar sein, so dass zu tiefe Gewässer für Schwäne ungeeignet sind. Viele Parkseen bieten heute vor allem den Höckerschwänen einen sekundären Lebensraum - zumal der Mensch die anmutigen und sehr dekorativen Wasservögel gerne füttert und schützt. Wegen ihres rein weißen Gefieders und ihrer eindrucksvollen Größe sind Schwäne darüber hinaus in zahlreiche Mythen und Märchen eingegangen.

Von weißen und schwarzen Schwänen
Schwäne gehören zu den größten Wasservögeln. Ihre Flügelspannweite kann bis zu 240 cm betragen und ihr Körpergewicht gut 20 kg erreichen. Die Beine der großen Wasservögel sind dagegen relativ kurz und weit hinten am Körper angesetzt, so dass Schwäne an Land recht schwerfällig wirken. Sie sind daher in aller Regel eher im Wasser als an Land zu finden.

Unser häufigster und bekanntester Schwan ist der Höckerschwan (Cygnus olor), der sofort an seinem roten Schnabel mit dem schwarzen Höcker zu erkennen ist. Halbzahme Höckerschwäne sind in allen Stadien der Verwilderung auch in Parkanlagen bei uns weit verbreitet. In Norddeutschland überwintert gerne in größeren Schwärmen der Singschwan (Cygnus cygnus), der vom Höckerschwan leicht durch seinen gelben Schnabel zu unterscheiden ist. (…)
Übrigens sind tatsächlich alle Schwäne auf der nördlichen Halbkugel vollständig weiß gefärbt - eine Ausnahme bildet nur das aus Märchen bekannte graue bis aschbraune Federkleid der Jungtiere. Der schwarze Trauerschwan (Cygnus atratus), der neben dem Höckerschwan viele Parkanlagen ziert, stammt aus Australien, der Schwarzhalsschwan (Cygnus melanocoryphus) aus Südamerika.
(Quelle: http://www.wissen.de/thema/schwaene)

Schwäne und der Mensch
Die Bezeichnung Schwan ist ein sehr alter Begriff. Bereits im Althochdeutschen und Mittelhochdeutschen wurden diese Vögel als swan bezeichnet. Der Begriff leitet sich vermutlich von dem indogermanischen Wort suen ab, das für rauschen und tönen steht und ein Hinweis auf die auffallenden Fluggeräusche dieser Vögel ist.

Schwäne haben oft die menschliche Fantasie beflügelt: Davon zeugt nicht nur der Mythos von Leda oder der Schwanengesang, sondern auch Märchen wie Das hässliche Entlein geben davon Kunde. In diesem Märchen versinnbildlicht der Schwan u. a. Reifung und Vollendung, er wird in der Kunst und Literatur aber auch als Allegorie für Reinheit gebraucht, zu nennen wäre in diesem Zusammenhang etwa der Schwanenritter Lohengrin bei Richard Wagner, dessen Nachen von einem Schwan gezogen wird. Die irische Mythologie verwendet in ihrer Symbolik sehr häufig Schwäne.

Im Europa des Mittelalters galt die Schwanenhaltung auf offenem Gewässer als Hoheitsrecht. Als politisches Symbol der Reichsunmittelbarkeit stellte z. B. der Rat der Stadt Hamburg 1664 die Belästigung der Alsterschwäne (Höckerschwäne auf der Alster) unter Strafe. Futterzahlungen der Stadt an die Tiere lassen sich ab 1591 belegen. Heute werden die Tiere von einem Schwanenaufseher (Volksmund: Schwanenvater) betreut. Seit 1957 wird im Winter für die ca. 120 Tiere der Eppendorfer Mühlenteich eisfrei gehalten.
(Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Schwäne)

 

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