Mindestens zwölf Stunden, wahrscheinlich aber noch mehr angstvolle Stunden hatte dieses Kaninchen hinter sich, als es in einem Käfig ohne Streu, ohne Futter und ohne Wasser gefunden wurde - abgestellt im schmalen Grünstreifen an einer viel befahrenen Straße in Nordenham.
Heidi war mal wieder unterwegs, fuhr zufällig eben diese Straße entlang und glaubte, ihren Augen nicht zu trauen: In unmittelbarer Nähe eines Mehrfamilienhauses, sozusagen neben der Hofeinfahrt am Straßenrand, stand dieser verdreckte Käfig mit einem einsamen Zwergkaninchen.

Natürlich bog Heidi sofort in besagte Hofeinfahrt ein, stieg aus dem Auto und drückte auf einen der vielen Klingelknöpfe - irgendjemand würde ja vielleicht etwas wissen über das Tier. Falls es nicht einfach aus einem vorbeifahrenden Auto dort abgestellt worden war...

Ein Bewohner des Hauses erzählte ihr dann, dass dieses Kaninchen einer Familie W. gehöre... oder gehört habe... die sei allerdings am Vortage dort ausgezogen...

Das macht dann erst einmal sprachlos.
Während Heidi noch überlegte, was am besten zu tun sei, hielt eine junge Frau am Straßenrand an und fragte, was denn mit diesem Tier passiert wäre - als sie die unglaubliche Geschichte gehört hatte, bat sie darum, das Kaninchen mitnehmen zu dürfen.
Natürlich kann man so was nicht einfach machen, selbst wenn es mehr als wahrscheinlich ist, dass der ursprüngliche Besitzer sein Recht auf das Tier willentlich aufgegeben und es seinem ungewissen Schicksal überlassen hat.

Also wurde mit dem Leiter des Nordenhamer Tierheims, das für Fundtiere innerhalb Nordenhams zuständig ist, eine Abmachung getroffen: Die junge Frau durfte, nach Angaben aller erforderlichen persönlichen Daten, das Tier unter Vorbehalt erst einmal mitnehmen.
Das war eine gute Lösung für alle - und in erster Linie für das Kaninchen, das jetzt endlich Fürsorge und vor allem frisches Wasser und Futter erhalten würde.
Und wir haben die Polizei informiert, denn das Aussetzen von Tieren ist - außer verantwortungslos und gefühlskalt - auch strafbar. Das geltende Tierschutzgesetz ist da sehr klar.
 
Was uns nicht wenig Sorgen macht, ist noch folgender Punkt:
Vor nicht allzu langer Zeit haben wir eben dieser Familie ihren Kater zurückgebracht, nachdem er in eine sehr gefährliche Situation geraten und beinah überfahren worden war.
Auf der viel befahrenen Kreuzung, an der weiter oben bereits erwähntes Wohnhaus steht.
Ich hatte den geschockten Kater mehr als drei Stunden bei mir Zuhause, er schlief die meiste Zeit in einem Korb in meinem Arbeitszimmer - die Tür hatte ich vorsichtshalber zugemacht, denn meine drei Katzen waren von dem Besucher nicht sehr angetan...
Heidi, Isabell und ich waren in der näheren Umgebung des Fundortes auf die Suche gegangen und hatten herausgefunden, wohin der Kater gehörte - wir trafen jedoch nur ein paar Kinder an, die uns erzählten, die Mutter sei noch arbeiten, käme aber bald.
Also hinterließ ich meine Telefonnummer, damit diese sich bei mir melden konnte, denn den Kindern wollten wir den Kater nicht einfach mitgeben, obwohl der nicht ganz halbwüchsige Sohn sich anbot, "Matze" abzuholen.
Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen gehen würde in so einer Situation, aber ruft man nicht so rasch es irgend geht an, um zu erfahren, was passiert ist und wie es dem Kater geht? Und will ihn bei sich haben?
Jedenfalls bin ich, nachdem sich drei Stunden später noch immer niemand gemeldet hatte, noch einmal dort hin gefahren - wieder öffnete der Sohn die Tür und erklärte auf die Frage, ob denn seine Mutter noch immer nicht Zuhause sei: "Doch, aber die schläft jetzt."
Entgeistert sagte ich bloß: "Na, dann weck Sie!"
Aus einem Nebenzimmer hörte ich ein "Da ist wieder die Frau... ja, aber die will DICH sprechen... nein, die geht sonst nicht", woraufhin die Halterin des Katers dann schließlich an die Wohnungstür kam.
Ich erklärte ihr mein Unverständnis darüber, seelenruhig schlafen zu können in Kenntnis der Umstände (oder eigentlich ja in Unkenntnis - sie wusste schließlich gar nichts Genaues über den Zustand des Tieres) und fragte, ob sie den Kater denn nicht zurück wolle.

"Jaja, doch, sicher", sie habe halt später anrufen wollen...
Da war es übrigens 20:25 Uhr.
Ich habe sie dann in meinem Auto mitgenommen, ihr den Kater nicht ganz leichten Herzens wieder mitgegeben und beide zurück nach Hause gefahren. Mit dem Rat, am besten noch einen Besuch beim Tierarzt zu machen, falls "Matze" am nächsten Tag nicht wieder zu seiner alten Form zurückgefunden hätte.
Und nun hatten sie also beim Umzug einfach ihr Zwergkaninchen in einem kaputten, verdreckten Käfig an den Straßenrand gestellt... lästig geworden, nehme ich an.
Hoffentlich geht es "Matze" gut...

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